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"Das herschaftliche neue Gebäu zu Dretzendorf“
1279 schenkte Elisabeth von Penzendorf1 dem St. Katharinenspital zu Bamberg einige Würzburg lehenspflichtige Güter zu Tretzendorf. Unter diesen Gütern dürfte sich der Vorläufer des jetzigen „Schlosses“ befunden haben. Vermutlich war er eine kleine Wasserburg („Weiherhaus“), deren Reste als Insel im Schlosssee noch vorhanden sind)2 Zu diesem Weiherhaus gehörte sicher von Anfang an eine Vorburg mit den notwendigen Wirtschaftsgebäuden an Stelle des bestehenden Schlösschens und der Zehntscheuer.
Es kommt nun häufig vor, dass nach Verlassen einer unbequem gewordenen Wasserburg ein nachfolgebau in der Vorburg entstand und von der alten Burg nur der Teich, eventuell mit einer Insel, übrig blieb. So müssen wir es uns wohl auch in Tretzendorf vorstellen.
1711 bestand das alte Haus noch, scheint aber bereits abgängig gewesen zu sein, sodass der baufällige Treppenturm abgetragen werden musste3. Gleichzeitig wurde der alte eingefallene Stadel niedergerissen. Außer dem Zimmermeister Andreas Jaud aus Dankenfeld mussten 18 Tagelöhner dabei zur Hand gehen, vermutlich Fröner aus der Gemeinde. Ihre Bemühungen wurden zusätzlich… wegen des grosen staubs und hitz…4 mit je einer Maß Bier belohnt. Noch im selben Jahr stellte Meister Jaud die neue Scheuer und eine neue Halle (Holzlege?) auf5. Die Maurerarbeiten, die auch das Dachdecken einschlossen, besorgten die Tiroler Maurer Tobias und Christian Mohl6. Die Steinfuhren musste die Gemeinde Tretzendorf beisteuern. Sie bestanden aus 27 Fuhren mit „einfachen“ Quadern, die auf Ochsenwagen herbeigeführt wurden7. Diese neue Zehntscheuer besteht, wenn auch erweitert und umgebaut, noch heute. Das Baujahr 1711 wird durch die bestehende Putzinschrift nochmals belegt.
In den 60er Jahren des 18. Jahrhunderts beschloss das Katharinenspital, ein neues „herrschaftliches Gebäu“ zu bauen und ließ, wohl vom Bamberger Stadtmaurermeister Martin Mayer, einen Plan dazu zeichnen, der von der geistlichen Regierung als Aufsichtsbehörde des Spitalwesens am 10. Juni 1767 genehmigt wurde. Er liegt heute im Stadtarchiv Bamberg8.
Sommer und Herbst 1767 wurde das alte Schloss abgebrochen9, 1768 – 1772 entstand der Neubau. Meister Martin Mayer erhielt für die Bauausführung 525 Gulden im Gedinge10 und 108 Gulden für Arbeiten außerhalb des Gedinges11. Über die Zimmerarbeiten wurde ein Akkord mit dem Bamberger Stadtzimmermeister Joseph Gruber in Höhe von 370 Gulden abgeschlossen, dazu kamen noch 200 Gulden außerhalb des Akkords12. Auch die Ausgaben für den Schreinermeister Christian Groß sind überliefert. Er bekam insgesamt 314 Gilden für Fenster, Türen, Geländerbaluster u. a. m.13. Die Steine wurden im Tretzendorfer Steinbruch gebrochen, die Fußbodenplatten fertigte der Steinhauermeister Caspar Scheuring in Zeil14. Im Frühjahr 1772 muss der Neubau fertig gewesen sein, weil der Tretzendorfer Schultheiß Johann Klarmann für die Bauaufsicht mit 8 Gulden bezahlt wurde.
Betrachtet man die Grundrisse des neuen Gebäudes, wird deutlich, dass es sich eher um ein Amtshaus als um ein Schlösschen handelt: Es besteht aus einem Souterrain mit Kellern und Viehställen, einem Erdgeschoß, das außer einer Wohnung für den Seewart nur Kammern und eine Treppe in die Stallungen enthielt, und dem Obergeschoß mit den Hauptwohnräumen. Die beiden Dachböden waren Speicher.
Die Seewartwohnung entsprach den üblichen Ansprüchen der ländlichen Mittelschicht: Eine große Wohnstube, mit abgeteiltem „Cabinett“ für die Bettstellen und einer Küche mit offenem Herd und Backofen. Der Wohnzimmerofen wurde von der Küche aus geheizt und stand an der Kabinettwand, sodass man auch schön warm schlafen konnte. Der Abort lag am anderen Hausende. Seine Grube ließ sich direkt in den Misthof entleeren. – Im Obergeschoß wohnten entweder die Spitalpfleger bei ihrem Besuch im Ort, oder von Anfang an der Förster. Die Haupträume lagen zum See hin, im hinteren Hausteil Nebenräume, Häusern und Küche. Die Kachelöfen wurden vom Hausplatz und dem anschließenden Quergang über Vorgelege geheizt, ein Ofen stand direkt in der Scheidewand zwischen zwei Zimmern, er heizte somit beide Zimmer gleichzeitig. Neben der Küche befand sich eine Kleinwohnung für das Personal. Sie bestand aus Küchenstube und Alkoven, die Stube wurde wie in der Seewartwohnung von der Küche aus geheizt. Für den Abtritt trennte man eine Ecke in der Küche ab.
Ein Vergleich mit dem heutigen Plan zeigt, dass der Grundriss des Hauses heute vom Originalplan stark abweicht, am wenigsten verändert erscheint das Obergeschoss. Die wesentlichste Änderung besteht wohl darin, dass der Hauseingang heute im Keller liegt und die repräsentative Außentreppe zum Hochparterre weggefallen ist. Ansonsten scheint das äußere Bild im Wesentlichen erhalten geblieben zu sein: Das über dem Keller zweigeschossige Gebäude von 5:5 Achsen hat ein Mansardendach. Über dem Sockel werden die Geschosse durch Ecklisenen zusammengefasst, die Fassaden durch Gurtgesimse geteilt und von einem profilierten Dachgesims abgeschlossen. Die Fenster haben faszierte Einfassungen, die zwei kleineren in der vom Eingang aus gesehenen rechten Giebelwand bezeichnen die Stellen, wo in den Originalplänen der Abort bzw. Gang lagen. Alle Erdgeschoßfenster haben geschweifte Brüstungsschürzen, die im Obergeschoß rechteckige Brüstungsfelder. Die Haustüre hat eine glatte, unprofilierte Einfassung, die möglicherweise erst der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts angehört. Sie wird von einem Sims abgedeckt, über dem ein Stein mit dem herrschaftlichen Wappen angebracht ist, eine Arbeit des Bamberger Bildhauers Reuß, nach dessen Tod vom Bildhauer Valentin Schahl 1768 fertig gestellt. Schahl bekam für seine Arbeit zwölf Gulden15 – Die geplante und nach den Belegen wohl auch ausgeführte Freitreppe zum Erdgeschoß endete auf einem Podest, der von einem Korbbogen unterfangen war. Das steinerne Balustergeländer hatte die typischen „Öhre“ des späten 18. Jahrhunderts.
Es soll hier nicht unerwähnt bleiben, dass das Gebäude von Anfang an gelb gestrichen war16.
Gleichzeitig mit dem Neubau des Schlösschens wurden auch die Nebengebäude teilweise erneuert. Überliefert sind für 1768 Arbeiten am Schweinestall, der Brücke, und einer Halle für das Fischzeug, vielleicht auf der Insel17, die Meister Gruber leistete. 1770 erhielt der Maurermeister Johann Michael Beck aus Ebenhausen 27 Gulden für das Ausspitzen, Auszwicken und Verwerfen der Schlossmauer18.
Das Tretzendorfer Schlösschen ist ein schönes Beispiel für einen herrschaftlichen Wohn- und Verwaltungsbau, es diente wohl schon bald dem Förster des Katharinenspitals als Wohnung und Dienstsitz. Die Nutzung als Verwaltungsbau wird nun durch die Verwendung als Rathaus würdig fortgesetzt.
von Oberkonservator
Dr. Reinhard Gutbier, Bamberg
Landesamt für Denkmalpflege
Anmerkungen
1Wohl an der Rednitz unweit Schwabach
2Die Erforschung des Tretzendorfer Schlösschens konnte aus Zeitgründen nicht systematisch betrieben werden. Die hier mitgeteilten Quellen aus dem Stadtarchiv Bamberg (=ASB) sind nicht vollständig.
3Am 23. März 1712 erhielt der Zimmermeister Andreas Jaudt zu Dankenfeld 5 lb. 1 d. Entlohnung für seine Mitwirkung beim Abbruch der … schnecken in dem schlöslein zu Drezendorf, welche uf den einfall gesatnden…“ (ASB B 11 Nr. 901 (1711/12) fol. 237)
4ASB B 11 Nr. 725 Prod. 1.
5ASB B 11 Nr. 901 (1711/12) fol. 238
6ASB B 11 Nr. 901 (1711/12) fol. 237
Dass Tiroler Maurer die Arbeit ausführten, ist keine Seltenheit. Sie hatten handwerklich einen guten Ruf und ließen sich häufig endgültig am Arbeitsort nieder. Seit dem 17. Jahrhundert ist eine Einwanderungswelle Tiroler Maurer, wohl infolge des höheren Bedarfs an Handwerkern für den Wiederaufbau nach dem 30jährigen Krieg, nachzuweisen.
7ASB B 11 Nr. 725 Prod. 1
8ASB A 22 B 63.
Der Plan ist unsigniert und trägt die Überschrift “Haupt-Rieß über das St.: Catharina Hospithal: herrschaftl: neue Gebäu zu Dretzendorff.“ Der Originalmaßstab ist zirka 1 : 120 (1 Zoll = 10 Fuß Nürnberger Maß), der beigefügte Lageplan hat den Maßstab 1 : 150 (1/3 Fuß = 50 Fuß).
9ABS B 11 Nr. 2509 fol. 5 – 6
10Für den inzwischen verstorbenen Meister Mayer quittierte der Hofschlossermeister zu Bamberg Simon Hann als Vormund der Mayer’schen Erben über eine Summe von 62 Gulden am 6.2.1772.
11ASB B 11 Nr. 2509 fol. 4
12ASB B 11 Nr. 2509 fol. 3. Meister Gruber hatte zu 231 Gulden 56 Kreutzer verlangt. Diese Summe wurde vom Vicariat auf 200 Gulden gekürzt! (a. a. O. fol. 6‘)
13ASB B 11 Nr. 2509
14ASB B 11 Nr. 2509, Beleg 6 – 18 und 37
14aASB B 11 Nr. 2509 Beleg 145
15ASB B 11 Nr. 2509, Beleg 60 und fol. 14
16ASB B 11 Nr. 2509, fol. 26 und Beleg 92
17ASB B 11 Nr. 2509 fol. 5 – 6‘
18ASB B 11 Nr. 2509 fol 11 (Beleg 5). Die Ortsbezeichnung “von Ebenhaußen” ist nachgetragen.
R. G.